Einmalig, extravagant, unkonventionell und Wildwest
Von Lychen in der Uckermark treckte Familie Muli Rensch als einer der Botschafter der Völkerverständigung bis ins russische Wiliki Nowgorod.
Laut ließ am 12.Oktober Achim Rensch sein Horn erklingen. Einer der bedeutendsten deutschen Muli- Züchter und Halter freute sich mit Ehefrau Grit und den beiden Mulis Usaja und Pascol nach dem Russland Trip wieder auf dem Titanengelände in Brück zu sein.
Beinahe wäre die Rücktour per Transporter an der Russisch-Estnischen Grenze gescheitert. Russland und Estland, bis 1990 beide zur Sowjetunion gehörend, sind nicht gerade die besten Freunde. Die Estnischen Grenzer bemängelten die Pferdepapiere. Seit dem 1.Oktober hatte die EU neue Bestimmungen erlassen. Davon wussten die Titanen nichts. Die historischen Planwagen passierten auf der Hintour Ende September die Grenze via Petersburg, aber zurück nach Deutschland über das Baltikum durften sie nicht. So blieb Spiritus Rektor Titan Thomas Haseloff nichts anderes übrig, als die gut 250 Kilometer vom Grenzort Narwa nach Weliki Nowgorod zurück zu fahren. Dort wurden neue Papiere für jedes einzelne Pferd ausgestellt. Nach fast 48 Stunden Grenzstopp öffneten sich die Schranken. Allerdings hatten die Grenzer zuvor ein Herz für Pferde und ließen sie auf einer nahen Koppel grasen. Das alles kostete nicht nur Nerven, sondern auch reichlich Geld zusammen mit anderen Pannen. So die Klinikkosten für ein Pferd, das an einer giftigen Hecke knabberte oder die umfangreichen Beschlagkosten. Noch ist die Tour-Kasse im Minus, trotz staatlicher Zuschüsse wie aus Lottomitteln und vielen privaten Spenden. Bei 400.000 Euro liegt die Tourbilanz. „Es wird niemand auf seinen Kosten sitzen bleiben, alle Forderungen werden auf jeden Fall erfüllt“, beruhigte Detlev Seeliger, Titanen Hauptsponsor und Vereinsmitglied während der Abschluss-Pressekonferenz. Er schlug vor, weitere Touren zu planen und zum Beispiel der Hannibal-Alpenquerung zu folgen oder den Jakobsweg zu erkunden.
„Wir haben Menschen erreicht und Freunde gewonnen“
Das unterstrich am 12. Oktober Tomas Haseloff, zusammen mit dem Brücker Kaltblut Zucht- und Sportverein Veranstalter der europaweit größten Kaltblutschau Spiritus Rector der Tour, während der großen Medienshow mit dem Fernsehen und der schreibenden Zunft. Die zwölf Rheinisch-Deutschen Brücker Kaltblüter, die am Abend zuvor erst vom Transporter entladen worden waren, wurden aufs Titanen-Gelände geführt. Ebenso das technische Equipment, die Planwagen, Kremser, der Bäckerwagen sowie der große Pferdetransporter. Die großen Dicken wälzten sich sofort vergnüglich auf der provisorischen Koppel des Titanenareals. Ebenso die Mulis. Die weiteren Treckexoten, die Percheron- Hengste Ulrich und Baileys, drehten erst einmal friedfertige Reitrunden mit Besitzerin Jana Schleiff aus Angermünde. Später standen sie wie bei jedem Treckstop gelassen in ihren engen, festen Boxen. Nach dem Pressemeeting wurden Achim und Grit Rensch vom Schwiegersohn endlich nach Hause in die Uckermark gefahren. Schwiegersohn Axel Schönfeld nahm auch streckenweise am Treck teil. Im Gepäck hatte sie für zweijährige Enkeltochter Helene das russische Souvenir, eine kleine bemalte, hölzerne, ineinander verschachtelte Matrjoschka. Es gab reichlich zu erzählen, sehr viel Positives und Einmaliges von der Tour „Europa sind wir – Pferde bringen Frieden“. Am meisten beeindruckte Familie Rensch, wie herzlich und gastfreundlich alle Teilnehmer als Botschafter für Verständigung, für ein wertvolles, hassfreies und versöhntes Europa empfangen und an den Straßen mit Friedensrufen begrüßt wurden. Die Titanen on Tour führten eine extra für den Kreml in Wiliki Nowgorod gegossene Friedensglocke mit, die dort der Brücker Pastor Helmuth Kautz übergab und segnete. „Ohne diese Friedensbotschaft hätten wir mit unseren Planwagen nie in das Heiligtum Russlands, in den Kreml von Wiliki Nowgorod, der Wiege des Zarenreiches, einfahren dürfen“ erzählte Achim Rensch. „Der Kreml, der Empfang von mindestens 1000 Nowgorodern, den Kirchen- und Stadtoberen war überwältigend und ließ uns alle ehrfurchtsvoll schweigen.“ Da drängte in den Hintergrund, dass Beamte und Militär die ganze Fahrt durch Russland begleiteten. Das brachte allerdings den Vorteil, dass die russischen Streckenabschnitte bestens und kostenlos organisiert waren. Zum Teil schliefen die Trecker in First Class Hotels. Auf den Planwagen kaum. Immer fand sich ein privates Bett. Als die Gefahr bestand, dass der Ankunftstermin am 4. Oktober nicht zu schafften sei, verluden Armeetransporter sehr vorsichtig die historischen Planwagen und chauffierten sie in Richtung Petersburg. Hinter der Enklave Kaliningrad, die die Friedensbotschafter mit den richtigen Papieren problemlos passierten, hatte der Treck im Litauischen Kurtuvena vier Tage Ruhepause einlegen müssen. Oft 35 Grad Hitze und dann ein Temperatursturz auf 15 Grad sowie täglich um die 30 Kilometer, an sich für Kaltblüter kein Problem, zehrten an der Kräften der liebenswerten, großen Rheinisch-Deutschen Dicken.
Pure Gastfreundschaft ohne Ressentiments
Achim Rensch war am 18. Juli vor dem Brücker Amtsgebäude zusammen mit den versierten Brücker Kaltblütern vor acht historischen Plan-, dem Glocken- und Bäckerwagen sowie einem Proviant-Kremser gestartet. Über 100 Zuschauer und Politpromis verabschiedeten die Titanen on Tour mit dem 70 Personen starken Tross. Gut beköstigt wurden alle mit Friedensgebäck von Bäckermeister Karl-Dieter Plentz aus Schwante, der streckenweise teilnahm. Der Granseeer Kaltblutzüchter Olaf Peter hatte ihm seinen historischen Bäckerwagen zur Verfügung gestellt. Zwei Tage später, nach der Übernachtung am Olympia Stadion, durfte Achim Rensch als Taktgeber mit den flotten Mulis vor dem Glockenwagen sogar den Treck über die Straße des 17.Juni, vorbei an der Siegessäule bis zum Brandenburger Tor anführen.
Friedrich Wilhelm II. hatte einst in Berlin das Tor als ein Symbol des Friedens erbauen lassen. Das passte gut zur Friedens-Planwagentour. Als Kreativ-Titan Thomas Haseloff mit der Tour Idee „schwanger“ ging, sagten Achim Rensch wie viele langjährige Titanenfahrer: „Da bin ich dabei. Wann erlebt man schon mal so etwas“. Es juckte sie alle, die 2300 Kilometer über einen Teil der längsten und ältesten europäischen West-Ost-Handelsroute „HELLWEG“ mit den 70 Stopps durch Polen, die baltischen Länder, die Enklave Kaliningrad bis in die Nähe von St. Petersburg zu kutschieren und am 4. Oktober in Wiliki Nowgorod einzutreffen. „ Ich war schon 2009 beim Treck von Brügge nach Brück mit den zehn Planwagen und 22 Kaltblütern auf der historischen Siedlerroute der Flamen dabei“, so Achim Rensch. „Doch zwölf Wochen konnte und wollte ich unseren Fuhr- und Reitbetrieb nicht allein lassen. Meine Frau hätte mir dann bestimmt den Stuhl vor die Tür gesetzt“.
So fuhr er nur bis zum Zwischenstopp Münchehofe. Von dort ging es per Transporter zurück nach Lychen. Erst in Estland, kurz vor der russischen Grenze, traf Achim zusammen mit seiner Frau Grit alle am Peipussee wieder. Allerdings mit etwas Furcht im Hinterkopf vor einer Bärin mit Jungtier, die Bewohner gesehen hatten.
Nachts wurden deshalb die Wachen um die Koppeln verstärkt und Feuer angezündet. Stark in Erinnerung geblieben ist Familie Rensch die Gastfreundschaft ohne Ressentiments, die sie besonders in Russland erlebten.
Bei einer Muli-Kremserfahrt als Dankeschön für die hilfreichen Dorfbewohner, begrüßte sie in der Nähe des Peipussee eine 90 jährige Dorfbewohnerin in ihrem besten Kleid sehr herzlich: „Heute kommt ihr Deutschen mit Pferden und in Frieden. Das ist gut so. Während des zweiten Weltkrieges zerstörten deutsche Panzer mein Elternhaus.“
Fotos: Margot Schöning
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